Wenn Letten Milda lächeln – Die Euro-Einführung in Lettland

Von Esther Widmann

Glänzen noch ganz neu: Lettische Euromünzen

Foto: Anna Steiner

Sechs Monate nach der Einführung ist der Euro in Lettland Normalität. Das heißt nicht, dass es keine negativen Folgen für die Bevölkerung gibt. Die größte Gefahr steht aber noch bevor.

„Die Euroeinführung war ganz klar eine Entscheidung der Elite“, stellt Thomas Rouzanova fest. „Die Bevölkerung war dagegen.“ Rouzanova, Mitte 30, blassblaues Hemd und weinrote Krawatte, kurze gegelte Haare, steht im Europasaal der deutschen Botschaft in Riga. Den prachtvollen Wohnpalast im neogotischen Stil hat ein deutscher Architekt 1868 an einen breiten Boulevard gesetzt. Seit drei Jahren arbeitet Rouzanova hier, er kennt sich aus mit europäischen Angelegenheiten.

Seit dem 1. Januar 2014 hat Lettland als 18. Staat den Euro als Währung. Die Menschen standen und stehen der Euroeinführung skeptisch bis ablehnend gegenüber. Und Lettland könnte nun zur Steueroase werden und in die nächste Krise rutschen.

Währungsreformen gab es in Lettland einige in den vergangenen 100 Jahren. Nach der Unabhängigkeit 1993 wurde der Lats wiedereingeführt, der schon von 1922 bis 1940 das Zahlungsmittel war. 2003 stimmte eine Mehrheit beim Volksentscheid für den EU-Beitritt, der 2004 erfolgte. Ab 1. Januar 2005 war der Wechselkurs des Lats fest an den Euro gebunden. Die bereits für 2008 geplante Euroeinführung wurde wegen der Finanzkrise verschoben, in der Lettland 2009 bis an den Rand des Staatsbankrotts schlitterte. Am 9. Juli 2013 stimmte der Europarat dem offiziellen Antrag Lettlands zur Aufnahme in die Eurozone zu. Zur Einführung am 1. Januar 2014 waren die allermeisten Geldautomaten mit Euro-Scheinen gefüllt. Bis zum 30. Juni 2014 mussten die Preise sowohl in Lats als auch in Euro ausgewiesen sein, alte Währung konnte kostenlos getauscht werden.

„Nach der Euroeinführung hatten wir einen Umsatzeinbruch von 60 Prozent“, erzählt eine Wechselstubenbetreiberin in der Innenstadt von Riga. „Zum Glück verkaufe ich auch Souvenirs. Viele andere Geldwechselunternehmen sind pleite, weil es nichts mehr zu wechseln gibt.“ Für die Letten war der Lats auch ein Symbol der Freiheit, den Euro lehnten sie ab. Sechs Monate später jedoch zeige sich: „Letten sind pragmatisch“, erklärt Thomas Rouzanova. „Die Leute haben sich mit Händen und Füßen gewehrt, aber nachdem die Einführung beschlossen war, haben sie gesagt: ‚Es lohnt sich nicht, dagegen zu kämpfen‘ und den Widerstand aufgegeben.“ Geblieben ist den Letten vom Lats nur das Bildnis der Milda, der Allegorie des freien Lettland, das in einer Version von 1931 die Ein- und Zwei-Euro-Münzen ziert.

Viele Bürger fürchteten enorme Preissteigerungen. „Zum Teil gab es schon Teuerungen, aber keine radikalen Preiserhöhungen“, resümiert Rouzanova. Dennoch: Laut EU-Kommission empfand fast die Hälfte der Letten zumindest einige Preisumstellungen als inkorrekt. Weit größere Probleme drohen jedoch, weil Lettland durch den Eurobeitritt unlautere Investoren anlocken könnte. Steuervorteile ermöglichen es ausländischen Anlegern, oft aus Russland, ihr Geld in Lettland günstig zu parken. Lettland hat den niedrigsten Unternehmenssteuersatz nach Zypern und Irland. Der Bankensektor dieser beiden Staaten ist kollabiert.

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